Dr. Dora Busch

geb. 5.1.1888 in Wien, gest. April 1992 in Heidelberg
busch-do.jpeg

Dora Busch (Mitte) mit ihrem Töchtern 1932 am Werderplatz

Dora Jellinek wurde am 5. Januar 1888 in Wien als Kind von Camilla und Georg Jellinek geboren. Ihr Vater war seit 1891 Ordinarius für Staats- und Völkerrecht, seit 1891 in Heidelberg, 1907 dann erster jüdischer Rektor der Universität. Ihre Mutter wurde von Marianne Weber für die Frauenbewegung gewonnen und beriet vor allem Arbeiterinnen juristisch.

1910 verließ ihr Vater die jüdische Gemeinde und ließ sich und seine Familie evangelisch taufen.

Nach ihrer Schulzeit studierte Dora Busch in Heidelberg Germanistik, Romanistik und Anglistik mit dem Ziel, Gymnasiallehrerin zu werden. Hier fiel sie 1910 mit einem Vortrag über Stefan George im lyrischen Seminar auf. Sie zitierte ausführlich Gedichte des „Meisters“ und stellte fest, dass die Kommunikation zwischen Leser und Gedicht wegen der Undeutlichkeit und Unverständlichkeit nicht funktioniert. Andererseits lobte sie die „edle Sprache und Schönheit der Bilder“. Sie würdigte sein „historisches Gefühl“ und beklagte, dass ihm „die Unmittelbarkeit des Ausdrucks“ fehle. Deshalb könne er „niemals ein großer Lyriker sein“.

Im Januar 1911 starb ihr Vater.

Am 21. März 1911 heiratete Dora Busch den österreichischen Psychiater Dr. Friedrich Busch. 1912 brachte sie ihre Tochter Erika, 1913 ihre Tochter Gerda zur Welt. Das bedeutete natürlich, dass Dora das Studium unterbrechen musste.

Das junge Paar war gut in die Heidelberger Gesellschaft integriert. Zu ihrem Bekanntenkreis gehörten neben Gustav Radbruch, der auch der Pate ihrer Tochter Gerda war, der Philosoph Emil Lask und das Ehepaar Jaspers.

Schon im Jahr 1915 verlor Dora Busch ihren Mann, der als Bataillonsarzt am ersten Weltkrieg teilgenommen hatte. Sie erzog dann alleine ihre beiden Töchter und konnte ihr Studium 1922 mit der germanistischen Dissertation über Lohengrin abschließen.

1923 wurde sie Lehramtsassessorin am Mädchengymnasium in der Plöck 40. 1933 wurde sie als Jüdin infolge des badischen Judenerlasses vom 7. April 1933 im Juli wieder aus dem Staatsdienst entlassen.

Ihr Gesuch, sie im Beruf zu belassen, wurde intensiv behandelt. Anfangs hatte der damalige Kultusminister Otto Wacker viel Verständnis für die Witwe eines gefallenen Frontkämpfers und erwirkte die Genehmigung, eine Ausnahme von § 3 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums zu machen. Dabei stand er sicherlich unter dem Eindruck des Schreibens von Busch, in dem sie ausführte, „sie könne nicht recht glauben, dass unsere Regierung sich mit dem Vorwurf beflecken will, dass sie den Kriegsopfern nun nach vielen Jahren noch einen solchen Dank des Vaterlandes zuteil werden lässt.“

Nicht bekannt ist, warum der Minister seine Meinung änderte und Dora Busch den Dienst definitiv verlassen musste. Er begründete das mit dem Argument, dass er keinen Präzedenzfall schaffen wollte. Es ist allerdings anzunehmen, dass Wacker nicht in den Ruf kommen wollte, als judenfreundlich zu gelten. Dora Busch bekam immerhin eine geringe finanzielle monatliche Bezahlung vom Ministerium, die bei 25 – 35 % ihrer letzten Bezüge lag. Als Auslandsjüdin und Kriegerwitwe wurde ihr dieses Geld auch noch bis zum 1. August 1944, also noch sieben Monate nach ihrer Deportation nach Theresienstadt, bezahlt.

Um ihre Töchter und sich zu ernähren, gab Dora Busch zusätzlich Nachhilfeunterricht und übernahm Schreibarbeiten. In dieser Zeit hatte sie intensiven Kontakt mit nichtarischen Heidelberger Familien wie Kaufman-Bühler und von Künßberg. Dieter Kaufmann-Bühler erhielt in ihrer Wohnung in der Lutherstraße 42 Englisch- und Französisch Unterricht. Ihre Freundin Dietlinde Raisig erinnert sich daran, wie sich ihre Kinder in Neuenheim begegneten und nur zuwinken durften, da ihnen das Sprechen miteinander verboten war.

Nachdem ihr Bruder Otto 1943 bereits an den Folgen von Misshandlungen durch die Gestapo gestorben war, deportierten die Behörden Dora Busch am 10. Januar 1944 über Karlsruhe nach Theresienstadt. Das Lager wurde erst am 8. Mai 1945 von der Roten Armee befreit. Am 21. Juni 1945 kehrte sie nach Heidelberg zurück. Während der Zeit im KZ durfte sie alle zwei Monate eine Dreißig-Worte-Mitteilung an ihre Tochter Gerda schreiben. In diesen kurzen Mitteilungen wird deutlich, wie die Lebensumstände und die Versorgungslage in diesem „privilegierten“ Lager waren. Gerda wiederum konnte alle vier Wochen einen Brief an ihre Mutter senden und gelegentlich ein Lebensmittelpäckchen.

In Heidelberg wurde Dora Busch 1946 als Studienrätin in den Schuldienst eingestellt. Bereits 1948 führten die Strapazen von Theresienstadt dazu, dass sie pensioniert wurde. Bis zu ihrem Tod lebte sie in der Lutherstraße und beschäftigte sich intensiv mit der Psychoanalyse. Sie beschrieb in einer „Skizze seines Lebenslaufs“ mit viel Liebe das kurze Leben ihres Mannes fünfzig Jahre nach seinem Tod. Zudem veröffentlichte sie eine psychoanalytische Deutung der Grimmschen Märchen. Diese Arbeit widmete sie Annemarie Sänger, die ein psychagogisches Institut leitete und bei der sie Kurse belegte.

Auf ihre Töchter musste Dora schon sehr früh verzichten. 1952 starb ihre Tochter Erika, die 1938 nach England emigriert war und dort geheiratet hatte. 1959 starb auch ihr jüngeres Kind Gerda. Sie selbst lebte bis April 1992, sie wurde also 104 Jahre alt. Beerdigt ist sie auf dem Friedhof Handschuhsheim.

Quelle

Datenschutz: Wir loggen und tracen nicht, und wir binden hier auch keine Ressourcen von Dritten ein. Kontakt/Lizenz/Quelltext